Souveräner Ritter- und
Hospitalorden vom Hl. Johannes zu
Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Wird es noch möglich sein, in Bethlehem das licht der welt zu erblicken

Wird es noch möglich sein, in Bethlehem das licht der welt zu erblicken
13/04/2002

Seit einigen Tagen hat die tragische Entwicklung der Ereignisse in Palästina die Aufmerksamkeit der Medien auf das Krankenhaus der HL. Familie in Bethlehem gelenkt. Diese vom Malteserorden getragene Einrichtung ist die modernste und am besten ausgestattete Einrichtung und, in der Tat, die einzige in der Region, die in der Lage ist, Neugeborenenvorsorge zu leisten.

Es ist auch der einzige Ort, an dem werdende Mütter angemessen ärztlich betreut werden. Vorrangiges Gebot des Krankenhauses war es von Anfang an, jedem eine qualifizierte ärztliche Betreuung zu bieten, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der Kultur oder des Sozialstatus.

Im Jahr 1892 von der Schwesterngemeinschaft der Vinzentinerinnen errichtet, ist es zunächst „das französische Hospital“ von Bethlehem, das nach den Abkommen von Mitilene und Konstantinopel unter dem besonderen Schutz von Frankreich steht.

1985 mußte das Krankenhaus aus sozialpolitischen Gründen, die sich aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt ergeben hatten, seine Pforte schließen. Es kam in der Folge zu einer Vereinbarung zwischen der Schwesterngemeinschaft der Vinzentinerinnen und dem Souveränen Malteserorden, der den französischen Hospitaldienst des Ordens mit der Neuordnung und Leitung des Hauses betraute. Von da an begann das Krankenhaus sich zu einer Geburtsklinik zu entwickeln. Diese Erneuerung war möglich mit der Unterstützung der Europäischen Union. Am 26. Februar 1990 erblickte das erste Kind das Licht. Bis heute sind es 25.000, die im Krankenhaus der Hl. Familie geboren wurden. Seit der Wiedereröffnung wurde das Krankenhaus laufend modernisiert und erweitert. Um dem wachsenden Bedarf an gynäkologischer und geburtshilflicher Betreuung gerecht werden zu können, wurde eine neue Ambulanzstation eingerichtet.

Einige Zahlen mögen den Umfang der erbrachten Leistungen verdeutlichen: das Krankenhaus der Hl. Familie beschäftigt 94 Personen, darunter 8 Spezialisten (Geburtshelfer, Anästhesisten, Kinderärzte), 5 Ärzte, 45 Krankenpfleger, 6 medizinische Hilfskräfte, 5 Verwaltungsangestellte, 25 sonstige Aushilfen. Für das Jahr 2000 sind 3.200 Aufnahmen und über 15.000 ambulante Visiten verzeichnet.

Im September 2000 beginnt die neue „Intifada“. Es ist jetzt nicht mehr der „Krieg der Steine“, sondern ein Konflikt, der von beiden Seiten mit Feuerwaffen ausgetragen wird. Die palästinensischen Gebiete sind wieder abgeriegelt und den Frauen aus den umliegenden Dörfern ist es nicht möglich, die Klinik aufzusuchen. Die Anzahl der Geburten sinkt von 330 im Monat auf 150. Die Zahlen bleiben stabil bis in den Oktober 2001, als die israelische Armee Bethlehem erneut besetzt.

In der Nacht vom 22.Oktober 2001 geriet das Krankenhaus unter Beschuß, obwohl es sich aus dem Konflikt heraus gehalten hatte und obwohl seine Neutralität vom Militär und von den zivilen Behörden respektiert werden sollte. Es ist beachtlicher Schaden eingetreten. Der Orden von Malta sandte mit der Unterstützung von anderen Regierungen eine Protestnote an die israelische Regierung. Dank des Einsatzes des französischen Konsuls in Jerusalem, der Unterstützung organisierte, und dank der Spendenfreudigkeit von privater Seite konnte der Betrieb des Krankenhauses aufrecht erhalten werden. Aber die Anzahl der Frauen, die das Krankenhaus erreichen, nimmt immer mehr ab.

Am 14. März 2002 greifen gepanzerte Fahrzeuge der israelischen Armee erneut an. Gott sei Dank sind keine Opfer zu beklagen. Aber in der Neugeborenenabteilung und unter dem Personal bricht Panik aus.

Am 2. April 2002 , um 4.30 Uhr in den frühen Morgenstunden, flammen die Kampfhandlungen in Bethlehem erneut auf. Nach der Feuereinstellung, um 18.30 Uhr, liegt unser Krankenhaus in der von der israelischen Armee kontrollierten Zone. Es wird eine uneingeschränkte Ausgangssperre bis Freitag, den 5. April, verhängt. Während einer 2-stündigen Unterbrechung gelingt es fünf Frauen, die kurz vor der Niederkunft stehen, unsere Einrichtung zu erreichen. Und die vielen anderen? Die Zustände, unter denen die Frauen gebären müssen, sind erschreckend. Zwei Frauen, die vergebens eine Ambulanz angefordert hatten, mußten zusehen, wie ihre Kinder starben.

Für die Bevölkerung ist die Lage dramatisch. Es gibt kein Wasser und keine Lebensmittel mehr. Diese Stadt, die für die 2000-Jahr-Feier erneuert worden war, ist wieder verwüstet und seine Bevölkerung sitzt in Geiselhaft fest.

Das Schlimmste aber ist die allgemeine Verzweiflung. Niemand in Bethlehem kann verstehen, dass zivilisierte Nationen sich so verhalten können. Unverständnis herrscht auch über die Gleichgültigkeit und Passivität der Westmächte angesichts dieser menschlichen Tragödie, die jedem zivilisierten Verhalten Hohn spricht.

Der Orden von Malta stimmt in die Gebete des Heiligen Vaters ein, damit „der Gewalt im Heiligen Land, die ein unvorstellbares und nicht hinnehmbares Ausmaß angenommen hat,“ Einhalt geboten werden kann.

Unser Auftrag ist es, alles daran zu setzen, damit in Bethlehem wieder Kinder auf die Welt kommen können.

Jacques de DUMAST

Präsident

des französischen Hospitaldienstes des Ordens von Malta

„Le Figaro“, 13. April 2002