Humanitäre Hilfe angesichts der aktuellen internationalen Lage
Am gestrigen Tag kamen in Genf die Vertreter von vier verschiedenen Glaubensrichtungen (Christentum, Islam, Judentum und Vedantismus) sowie Experten und Diplomaten, Leiter von weltlichen und religiösen humanitären Organisationen bei den Vereinten Nationen zum Symposium zur gemeinsamen humanitären Aktion der Religionen zusammen, das vom Souveränen Malteserorden organisiert wurde. Das Symposium wurde vom Generaldirektor des Büros der Vereinten Nationen in Genf eröffnet.
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Welt haben ein bislang nicht dagewesenes Ausmaß erreicht. Die Zahl der Opfer – die meisten von ihnen Zivilisten – steigt unaufhörlich. Zur gleichen Zeit werden wir Zeugen einer allmählichen Zersetzung in der Durchsetzung von internationalem humanitärem Recht. In diesem Zusammenhang wird Religion oft als Ursache von Kriegen wahrgenommen. Die Wirklichkeit sei aber viel komplexer, so der Großkanzler des Souveränen Malteserordens, Albrecht Boeselager, in seiner Eröffnungsrede: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Gewalt aus religiösen Gründen erzeugt werden kann, wenn der moralische Kontext außen vor gelassen und Korruption und Machtgier das Zepter überlassen wird. Konflikte können religiöse Elemente beinhalten, aber in der Regel liegen ihnen immer kulturelle, wirtschaftliche, ethnische und territoriale Faktoren und oft auch Druck von außen zugrunde.“
Die Suche nach einer gemeinsamen Wertebasis, die Aufstellung eines Verhaltenskodex für alle Institutionen und Organisationen, die sich humanitäre Hilfe auf die Fahne geschrieben haben, die Einbeziehung örtlicher Gemeinschaften durch Investitionen in Infrastruktur und in den von Konflikten betroffenen Gebieten bereits bestehende Hilfsnetzwerke sowie die Verbreitung der Werte von humanitären Organisationen zur Bekämpfung von Vorurteilen sowohl bei den Menschen als auch bei Regierungen: Dies sind einige der Vorschläge, die aus der Debatte hervorgingen, die aus zwei Diskussionsgruppen mit jeweils fünf Rednern bestand. Zu den Teilnehmenden gehörte Jemilah Mahmood, Leiterin des Sekretariats des von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon initiierten Weltgipfels für humanitäre Hilfe. Das Symposium des Malteserordens dient als Vorbereitung des im Mai 2016 in Istanbul stattfindenden Weltgipfels für humanitäre Hilfe, dessen Ziel es ist, Grundsätze der humanitären Hilfe auf den Prüfstand zu stellen und zu verbessern.
In seiner Schlussrede erinnerte der Großhospitalier des Souveränen Malteserordens, Dominique de La Rochefoucauld-Montbel, daran, „die humanitären Grundsätze der internationalen Gemeinschaft, die nach dem 2. Weltkrieg bei vollständiger Achtung der jeweils vor Ort geltenden Traditionen und Kulturen ratifiziert worden sind”, zu verteidigen. Der Großhospitalier ermutigte zu einer von Dialog geprägten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionen. Dieses Thema prägte die gesamte Debatte, zu der auch die libanesische Assoziation des Malteserordens einen wertvollen Beitrag leistete. Seit mehr als 20 Jahren führt sie in diesem Land zusammen mit den Gemeinschaften der Schiiten, Sunniten und Drusen humanitäre Hilfsprogramme durch.
Das Symposium – dessen Organisation der Arbeit der Mission des Souveränen Malteserordens bei den UN in Genf zu verdanken ist – wird ein Dokument mit den aus der Debatte hervorgegangenen Richtlinien und Empfehlungen erarbeiten, das auf dem im kommenden Jahr in Istanbul stattfindenden Weltgipfel für humanitäre Hilfe vorgestellt wird.
Vor dem Beginn des Symposiums empfing der Generaldirektor des Büro des Vereinten Nationen in Genf Großkanzler Albrecht Boeselager, Großhospitalier Dominique de La Rochefoucauld-Montbel und die Botschafterin des Malteserordens bei den Vereinten Nationen, Marie-Thérèse Pictet-Althann, in seinem Büro zu einem Ideenaustausch.
Grundsatzrede von Albrecht Boeselager