Die Hilfsorganisation des Malteserordens in Ungarn (Magyar Máltai Szeretetszolgálat) wurde von der Budapester Regierung beauftragt, eine Initiative – das so genannte langfristige Entwicklungsprogramm für neue Siedlungen – zu koordinieren, um die am stärksten benachteiligten Regionen des Landes zu unterstützen. Dort leben etwa 300.000 Menschen, in der überwiegenden Mehrheit Roma. Die Dörfer befinden sich in einer sozioökonomischen Situation extremer Armut: Das Bildungsniveau und die Beschäftigungsquote der Bevölkerung sind niedrig, der Anteil der Häuser ohne Grundversorgung liegt weit über dem Landesdurchschnitt. Zudem sind die Häuser überfüllt und zu fast zwei Dritteln ohne Strom. Die Aktivitäten des Malteserordens begannen 2019 in 32 Siedlungen.
Besonderes Augenmerk wird auf den pädagogischen Aspekt dieses Projekts gelegt. Es wurde eine „Schulstiftung“ gegründet, für die Miklòs Thaisz verantwortlich ist und die sich speziell den Bildungseinrichtungen widmet: Kindergärten, Grundschulen und Berufsschulen. „Alle Schulen, die wir betreiben, befinden sich in sehr benachteiligten Regionen und werden überwiegend von Roma-Schülern besucht. Unser Hauptziel ist es, dass keines der Kinder auf der Strecke bleibt. In unseren Schulen wollen wir uns nicht nur auf die Bildung im engeren Sinne konzentrieren, sondern auch auf die Entwicklung der sozialen Fähigkeiten der Kinder. Es ist von größter Wichtigkeit, ihre individuelle Situation zu kompensieren und die Erfahrung der Selbstbehauptung zu vermitteln. Dazu verwenden wir eine breite Palette von Lehrmethoden, einschließlich experimenteller Methoden, die einen langsameren Rhythmus erfordern als Lehrplanprogramme“.
Welches sind die Hauptschwierigkeiten, die in einem bereits komplizierten Kontext durch die Covid-19-Pandemie verursacht werden?
„Wir haben den Schulen digitale Geräte zur Verfügung gestellt und spezielle Websites zur Unterstützung des digitalen Unterrichts entwickelt, aber leider gibt es in diesen Regionen viele Familien, die nicht die Möglichkeit haben, über das Internet zu kommunizieren. Sie verfügen weder über digitale Geräte, noch über einen angemessenen und sicheren Internetzugang oder einen geeigneten Raum. Also drucken unsere Schulen die Texte und Arbeitsblätter und Übungen für die Kinder. Manchmal sammeln unsere Kollegen Schulmaterialien und verteilen sie täglich zusammen mit Lebensmittelpaketen. Wir haben in allen unseren Schulen eine Umfrage durchgeführt, so dass wir genau wissen, welche Familien Probleme mit der digitalen Kommunikation haben: In diesen Fällen besuchen unsere Lehrer und Lehrassistenten diese Familien, um den Kindern zu helfen.
Haben Sie mit neuen Strategien experimentiert?
Wir haben gerade ein Pilotprojekt in Tarnabod gestartet, in einer ziemlich kleinen Grundschule (110 Schüler in 8 Klassen). Wir haben allen Schülern in drei Klassen Tablets und Internetzugang zur Verfügung gestellt, und die Lehrer kommunizieren mit den Kindern online. Wir sind neugierig auf die Ergebnisse, um zu verstehen, wie Lehrer und Kinder diese Gelegenheit nutzen werden, zu sehen, wie die Familien mit den digitalen Geräten umgehen werden, ob die Kinder auf diese Weise mehr oder weniger lernen werden.
Hat sich die Isolation dieser Minderheiten mit der Pandemie noch verschärft?
„Wie immer treffen Krisen ohnehin schon benachteiligte Menschen hart, weshalb unsere Sozialarbeiter und Lehrer in Kontakt bleiben und Familien und Kinder sehr genau verfolgen. Im Allgemeinen haben unsere Schülerinnen und Schüler keine Angst vor der Epidemie, die Sorge bezieht sich weniger auf die Krankheit als vielmehr auf den Lebensunterhalt der Familien. Unsere Kollegen werden oft gefragt: „Was ist, wenn wir kein Geld für Lebensmittel haben? In dieser Situation sind wir uns mehr denn je bewusst, wie wichtig die Verbindung zwischen unseren Schülern und der Schule, ihren Lehrern und Gleichaltrigen ist, und wir versuchen, auf jede erdenkliche Art und Weise in Kontakt zu bleiben. Natürlich versuchen wir nicht nur die Schulen zu unterstützen, sondern wir helfen ihnen auch, indem wir nützliche Informationen weitergeben. Jede Woche verteilen wir Waschmittel und Seife an alle bedürftigen Familien. Zum Zeitpunkt der Übergabe denken die Sozialarbeiter an die wichtigsten Regeln der Reinigung, Desinfektion und an die Bedeutung des Händewaschens. Unsere Freiwilligen haben Masken genäht, die sie bei Bedarf an die Bevölkerung verteilen. Bei Krankheitsverdacht besuchen Sozialarbeiter die Familie und informieren über Isolations- und Quarantänebestimmungen.
Glücklicherweise ist das Wetter mild genug, so dass die Familien nicht mehr drinnen bleiben müssen, um sich zu wärmen, sondern mehr im Freien sein können. Die saisonale Arbeit in der Landwirtschaft geht weiter, und das bedeutet, dass die Arbeitslosenquote nicht zu stark gestiegen ist.“
Magyar Máltai Szeretetszolgálat (Magyar Máltai Szeretetszolgálat)
Im 1989 gegründeten ungarischen Hilfswerk des Malteserordens arbeiten 3.000 reguläre und 10.000 temporäre Freiwillige. Heute ist es das wichtigste Hilfswerk des Landes und Partner der ungarischen Institutionen. Mit 350 Standorten in ganz Ungarn und 130 Freiwilligengruppen auf lokaler Ebene betreibt es 220 Einrichtungen mit 2.200 Mitarbeitern. Es ist auch im Bereich des Katastrophenschutzes tätig, indem es Opfern von Naturkatastrophen sowohl in Ungarn als auch im Ausland hilft.