Gespräch mit Mauro Bertero Gutiérrez, Koordinator des Lenkungsausschusses zur Verfassungsreform
Die Arbeit an der Reform der Verfassung und am Codex des Souveränen Malteserordens wird fortgesetzt. Nachdem wir Ende Juni ein Interview mit dem Botschafter und Koordinator des Lenkungsausschusses zur Verfassungsreform, Mauro Bertero Gutiérrez, geführt haben, erklärte er sich nun zu einem Gespräch zum aktuellen Stand der Arbeit und zu den weiteren Schritten bereit.
Herr Botschafter Bertero Gutiérrez, in welchem Stadium befindet sich die Reform jetzt?
Nachdem im Juni 2017 zehn Arbeitsgruppen gebildet wurden, konzentrieren diese sich jetzt auf ihre verschiedenen Themenfelder. Ich bin in regelmäßigem Kontakt mit den Gruppenleitern der zehn Bereiche und finde, dass die Überlegungen und Einschätzungen mit einer guten Intensität voranschreiten. Natürlich ist es keine einfache Aufgabe. Sie müssen bedenken, dass aufgrund der großen geographischen Distanz viel Arbeit durch Emails und Telefonkonferenzen erledigt wird.
Gibt es Gruppen, die sich auch wirklich getroffen haben?
Ja, wir haben die Treffen der Gruppen 6 (Rolle und Position der Ordensdamen) und 10 (Finanzverwaltung und –Kontrolle ) hier in Rom zu Gast gehabt. Zwischen Ende November und Anfang Dezember wird es ein Treffen der Gruppen 1 (Professen), 2 (Obödienz), 8 (Regierungsstruktur und Regierungsführung) und 9 (Lokale Organisationen) geben.
Was sind die Aufgaben des Statthalters und des Reformlenkungsausschusses?
Jeden Tag empfängt der Statthalter des Großmeisters viele Gäste, denen er zuhört und ihre Meinungen und Überlegungen anhört. Es stehen viele Treffen mit den Professmitgliedern, Großprioren, Bevollmächtigten und Präsidenten der nationalen Assoziationen auf seiner Tagesordnung. Fra’ Giacomo Dalla Torre hat bereits die Mitglieder der Gruppen 1 (Professen), 3 (Dritter Stand) und 5 (Ministerium der Kapläne im Orden) und alle Mitglieder der Gruppen 6 und 10. Mitte Oktober war er im Libanon, wo er die libanesische Assoziation und die Leiter der Gruppen 7 traf, die sich um den Nachwuchs des Ordens kümmern, die Quelle zukünftigen Talente des Ordens. Der Statthalter des Großmeisters hat wöchentliche Treffen mit Mons. Angelo Becciu, dem Sonderdelegierten des Papstes, der damit beauftragt wurde, den Reformprozess zu begleiten.
Im September reiste der Großkanzler nach New York, Ottawa und San Francisco, wo er den Reformprozess mit den Assoziationen der Vereinigten Staaten und Kanada besprechen konnte.
Mir wurde selbst das Privileg zu Teil, an der Pilgerreise zur Wallfahrtsstätte „Unserer Dame von Lujan“ nach Argentinien dabei zu sein und bei dieser Gelegenheit traf ich die Präsidenten der fünf südamerikanischen Assoziationen und konnte mit ihnen über den Reformprozess sprechen. Das gleiche tat ich während des Besuchs des Regierungsrates bei der deutschen Assoziation.
Im November traf sich die Führungsriege von Australien, den Philippinen, Singapur, Thailand, Südkorea und Hong Kong zur siebten Asien-Pazifik-Konferenz in Singapur. Hier bat sich eine weitere Gelegenheit für Meinungsaustausch mit der Führungsriege des Ordens auf diesen zwei Kontinenten.
Es sieht so aus, als lägen zahlreiche Ideen und Vorschläge auf dem Tisch
Neben der Arbeit, die in den Arbeitsgruppen ausgeführt wird, müssen wir auch Vorschläge berücksichtigen und priorisieren, die von einzelnen Mitgliedern an uns herangetragen werden. Darüber hinaus betreffen nicht alle Vorschläge die Verfassung, sondern tragen zu einer Bereicherung der Gesamtanalyse bei. Ich freue mich auch über einen guten Kommunikationsfluss zwischen den unterschiedlichen Gruppen, das liegt wohl auch an der Tatsache, dass die Gruppen sich teilweise überlappen.
Ist Anfang Dezember weiterhin der Abgabetermin, um ihre Gruppenvorschläge zu präsentieren?
Ja, der Zeitplan hat sich nicht geändert. Aber wir erwarten nicht, dass diese Vorschläge schon in Form eines Verfassungsartikels bei uns eingehen. Diese Gruppen wissen, dass sie ihre Schlussfolgerungen auf konzeptuelle Weise präsentieren können. Danach ist es die Aufgabe der Rechtsbeistände Pater Gianfranco Ghirlanda, S.J., Prof. Giuseppe Dalla Torre und Prof. Gian Piero Milano, bei der Auswertung der Vorschläge zu helfen. Der Beitrag unseres Prälaten, Mons. Jean Laffitte, wird hinsichtlich der religiösen Aspekte der Verfassungsreform von großer Bedeutung sein. Einer der entscheidenden Momente im gesamten Prozess wird nächstes Jahr am 8. und 11.Februar stattfinden. Rund 200 der Ordensführungskräfte und Arbeitsgruppenmitglieder werden sich in Rom zu einem internationalen Seminar treffen, das Raum für Reflektion und Diskussion der Verfassungsreform schaffen wird.
Kann man schon über Inhalte sprechen?
Es ist noch zu früh über einzelnen Bestimmungen zu sprechen. Das würde bedeuten, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und das, was im Februar in Rom besprochen werden soll, vorwegzunehmen. Worauf ich erneut hinweisen möchte ist, dass die Reform als Ganzes dazu dient, den religiösen Charakter des Ordens und seine Souveränität zu stärken. Die Revision der Verfassung hat das Ziel, die traditionelle Besonderheit unserer religiösen Institution zu stärken, ihr Charisma zu bewahren und ihre Identität zu schützen. Außerdem wird dadurch der Dienst am Nächsten garantiert. Ich versichere, dass keine davon abweichenden Vorkehrungen getroffen werden.
Was halten Sie persönlich von dieser Arbeit?
Das Schlüsselwort in diesem Prozess ist „Spiritualität“. Wir können das mit der spirituellen Bildung eines jeden einzelnen unserer Mitglieder vergleichen: diese Aufgabe ist einfach nie wirklich abgeschlossen. Das gleiche lässt sich über die Umsetzung einer Verfassung sagen. Die Reform kann nicht einfach auf einen statischen Text zurückgeführt werden. Sie muss auf einem individuellen Ebene ständig erlebt werden. „Reformieren“ heißt „erneuern“. In diesem Kontext heißt Erneuerung auch, zur ursprünglichen Strahlkraft unserer Gründer „Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum” zurückgekehren. Und hierfür müssen die verfassungsrechtlichen Regeln aktualisiert werden, um besser auf die heutige Zeit und die humanitären Herausforderungen reagieren zu können.