Herr Dekan, Exzellenzen, meine Damen und Herren,
Aufgrund der weltweit grassierenden Pandemie konnte die traditionelle Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in diesem Jahr nicht stattfinden. Dies tut mir sehr leid. Es wäre die erste Gelegenheit gewesen, Sie persönlich kennenzulernen. Ich vertraue darauf, dass es in naher Zukunft möglich sein wird.
Ich möchte dem Botschafter von Kamerun, Seiner Exzellenz Antoine Zanga, Dekan des Diplomatischen Korps, der heute stellvertretend für das gesamte beim Souveränen Malteserorden akkreditierte Diplomatische Korps anwesend ist, danken.
Ihre Worte, Herr Botschafter, sind eine Einladung, sich mit Zuversicht den Herausforderungen zu stellen, welche dieses neue Jahr für uns bereithält. Ich möchte auch die neuen Botschafter von Armenien, Georgien, Lettland, Thailand, Bosnien und Herzegowina, aus dem Libanon, Ecuador und Kasachstan, die im Laufe des Jahres 2020 ihre Beglaubigungsschreiben überreicht haben und die von Kolumbien, Nicaragua, Estland und der Europäischen Union, die diese Woche ihre Beglaubigungsschreiben vorlegten, herzlich begrüßen.
Ich nutze diese Gelegenheit, um tief bewegt an den Fürsten und Großmeister Fra‘ Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto, der am 29. April letzten Jahres verstorben ist, zu erinnern. Während seiner zweijährigen Tätigkeit im hohen Amt des Großmeisters hat er den Orden mit lobenswertem Engagement, Weitblick, Dienstbereitschaft und Bescheidenheit geführt.
Wir haben nicht nur einen Mann Gottes verloren, sondern auch einen Großmeister, der durch seine Einfachheit und vor allem durch sein Beispiel, seine Worte und seine Gesten, Harmonie und Gelassenheit zu vermitteln wusste. In den Tagen vor seinem Tod war er sehr betrübt, dass er die Reform der Verfassung und des Kodex, die im Mittelpunkt seiner Arbeit stand, nicht hatte abschließen können. Sein Vermächtnis wird den Weg erhellen, den wir gemeinsam im Zeichen des Glaubens und der Hoffnung gehen werden. Meine Anerkennung gilt dann Fra’ Ruy Gonçalo do Valle Peixoto de Villas-Boas, der nach dem Tod von Fra’ Giacomo die Leitung des Ordens als interimistischer Statthalter in einer sehr intensiven und komplexen Zeit übernommen hat.
Wir lassen ein sehr schwieriges Jahr hinter uns und stehen vor einem neuen Jahr voller Ungewissheiten. Zu den Spannungen und Konflikten in der Welt, zu den wachsenden Problemen des Hungers, zur Zerstörung der Umwelt, zur Frage der Flüchtlinge und derer, die vor Krieg, Terrorismus und Hunger fliehen, zu den vielen Formen der Gewalt, die die Menschenwürde demütigen und verletzen, kommt die Covid-19-Pandemie mit ihren verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit und die Wirtschaft so vieler Nationen.
Diese Auswirkungen haben die westliche industrialisierte Welt stark getroffen, aber noch stärker die armen Länder und die schwächsten Menschen: die Armen, die Behinderten und die älteren Menschen, insbesondere die alleinstehenden Alten. Die Zahlen der Infizierten und Verstorbenen – die stetig steigen – sind niederschmetternd.
Covid-19 stellt für uns alle eine epochale Herausforderung dar. Der Heilige Vater war diesbezüglich sehr deutlich, als er sagte, dass wir alle im selben Boot sitzen und niemand sich selbst retten kann. Die Krise der Pandemie hat die gravierenden sozialen Ungleichheiten weiter verschärft und die Kluft zwischen Wohlhabenden und Armen in Bezug auf den Zugang zu medizinischer Versorgung und wirtschaftlichen Ressourcen zur Bewältigung der Krise vergrößert. Es ist an der Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass angesichts einer Notlage, die keine Grenzen kennt und keine Unterschiede macht, diese Ungleichheiten unerträglich sind und daher ein neues soziales Modell, das auf Solidarität und Respekt vor der Würde jedes Einzelnen beruht, ein ethischer Imperativ ist.
Wir alle müssen uns um eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit bemühen, die auf einem erneuerten Vertrauen zueinander beruhen muss, vor allem durch die Wiederbelebung eines effizienten, gemeinsamen multilateralen Systems. Der Multilateralismus ist die beste Garantie für die Sicherung des Friedens, für eine harmonische wirtschaftliche und soziale Entwicklung und für den Schutz auch der kleinsten Staaten, da er an die veränderten Zeiten von heute angepasst werden muss.
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Die Pandemie hat die karitative Tätigkeit des Malteserordens, die die Grundlage unseres Handelns ist, nicht aufgehalten. Unser erstes Anliegen war es, unsere Projekte auf der ganzen Welt zu sichern und vor allem unsere Mitarbeiter und Begünstigten zu schützen. Auf diese Weise konnten wir es vermeiden, unsere humanitären Einsätze einzustellen. Viele der Sozial- und Gesundheitsprojekte, die in den 120 Ländern, in denen der Malteserorden tätig ist, durchgeführt werden, wurden erweitert und/oder in Programme zur Prävention und Behandlung von Covid-Patienten umgewandelt. Seit Beginn der Pandemie im letzten Jahr arbeiten die Großpriorate, Assoziationen und unsere Freiwilligen- und Hilfsdienste in Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich, Ungarn, Irland und vielen anderen Ländern daran, die nationalen Gesundheitssysteme zu unterstützen.
Es wurden Covid-Krankenhäuser und -Stationen eröffnet, und viele der bestehenden Krankenhäuser, die vom Malteserorden betrieben werden, wurden gesichert und an einigen von ihnen wurden Pavillons für Covid-Patienten eröffnet. Man initiierte Hilfsprogramme und die Lieferung von Mitteln des täglichen Grundbedarfs für Menschen in Quarantäne, ebenso wie Transportdienste für Patienten und psychologische Unterstützungsprogramme für Kranke und Angehörige von Kranken. Viele Assoziationen konnten die routinemäßigen Hausbesuche fortsetzen und so die medizinische Versorgung der älteren Menschen gewährleisten, die sehr oft isoliert und gezwungen sind, in dieser so komplexen Phase einsam zu leben. Für unsere Heime, die ältere Menschen beherbergen – ich denke zum Beispiel an die mehr als 70 Seniorenresidenzen in England und die zahlreichen Einrichtungen in Deutschland – war es eine besonders heikle Aufgabe, die Besuche von Verwandten und Freunden zu untersagen, strenge Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bewohner umzusetzen und gleichzeitig die Möglichkeit des menschlichen Kontakts durch technische Mittel zu gewährleisten. Das bedeutete, die täglichen Aktivitäten zu überdenken, in die Schulung der Mitarbeiter zu investieren und neue Tools einzuführen.
In vielen Ländern Asiens und Afrikas wurden Aufklärungskampagnen durchgeführt und sanitäre Einrichtungen sowie Infrastruktur für den Zugang zu fließendem Wasser verbessert. Dies ist bei vielen unserer Projekte in Myanmar, Thailand und Kambodscha der Fall, wo die Covid-19-Präventionsaktivitäten, einschließlich Informationskampagnen, Verteilung von Hygieneartikeln, Stellen für das Händewaschen und Tests, die Programme ergänzen, die der Orden in diesen Ländern seit vielen Jahren durchführt, zum Beispiel im Kampf gegen Lepra und andere vergessene Krankheiten. In Afrika, in der Demokratischen Republik Kongo, wurden medizinische Geräte, die für die Bekämpfung des Ebola-Virus gekauft wurden, für Covid-19-Patienten eingesetzt. Im Südsudan wurden Projekte zur Präfentionsförderung durchgeführt.
Viele dieser Programme wurden durch die Arbeit unserer diplomatischen Vertretungen in den akkreditierten Ländern umgesetzt.
Impfstoffe gegen Covid-19 bedeuten echte Hoffnung auf eine Rückkehr zum normalen Leben. Es ist jedoch notwendig, dass die Impfstoffe weltweit zeitnah und ohne kommerziellen Wettbewerb verteilt werden können, ganz im Sinne der eindringlichen Aufforderung von Papst Franziskus in seiner jüngsten Enzyklika ‘Fratelli Tutti’, „niemanden zurückzulassen“.
Wie Großkanzler Albrecht Boeselager in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September bekräftigte, „teilt und unterstützt der Malteserorden nachdrücklich die Worte von Papst Franziskus und den Appell, den Bundespräsident Steinmeier und vier weitere Staatschefs im vergangenen März lanciert haben. Wir glauben, dass eine faire, breite und schnelle Verteilung des Impfstoffs in der Welt nicht nur ethisch, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht unerlässlich ist, um mögliche neue Wellen der Pandemie einzudämmen“.
Auf diplomatischer und wissenschaftlicher Ebene hat der Malteserorden dazu beigetragen, ein besseres Wissen über das Virus, Eindämmungsmaßnahmen und Behandlungen zu fördern. Das Projekt „Doctor to Doctor„, eine virtuelle Plattform, die wir im März ins Leben gerufen haben, besteht aus einem Netzwerk von Experten, die mit dem Orden auf den Gebieten der Epidemiologie und Virologie verbunden sind. Sie treffen sich regelmäßig online mit Ärzten sowie politischen und gesundheitlichen Autoritäten in Ländern des Nahen Ostens, Afrikas, Mittel- und Südamerikas, um bewährte Verfahren und die neuesten Fortschritte in der medizinischen Forschung zu diskutieren. Bisher haben wir mehr als ein Dutzend Treffen abgehalten, zuletzt mit Gaza, wo die Situation dramatisch ist: Ein Drittel der Bevölkerung ist derzeit positiv getestet und die Gesundheitsinfrastruktur ist völlig unzureichend. An diesen Treffen nehmen regelmäßig einige unserer Botschafter aus den Ländern teil, in denen wir präsent sind, wie Palästina, Jordanien, Libanon. Ihnen, aber auch den vielen Ärzten und Wissenschaftlern, die der Initiative Zeit und Ressourcen widmen, gilt mein herzlicher Dank. Wie unser Großhospitalier, Dominique de La Rochefoucauld-Montbel, kürzlich in seiner Ansprache vor der Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen angesichts dieser globalen Gesundheitsbedrohung feststellte: „Internationale und zwischenstaatliche Organisationen haben Hand in Hand mit der Zivilgesellschaft die Pflicht, den Dialog zu fördern und den Austausch von Informationen über Errungenschaften zu unterstützen“.
Die Zahl der Hungernden auf der Welt ist durch die Pandemie gestiegen, die die informelle Wirtschaft vieler Schwellenländer schwer getroffen und die Länder, die früher vom Tourismus lebten, in die Knie gezwungen hat. Die Pandemie hat alle Länder getroffen, besonders aber diejenigen, die keine Schulden machen können, um Beschäftigung und Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Es ist klar, dass unser humanitäres Handeln notwendiger denn je ist. Im vergangenen Jahr ernannte der Malteserorden einen Sonderbeauftragten für neue Formen der Ausgrenzung, um die neuen Ursachen von Behinderung, Marginalisierung, Einsamkeit und seltenen Krankheiten zu analysieren.
Trotz der großen Einschränkungen durch die Pandemie ist es unseren nationalen Einrichtungen gelungen, ihre Aktivitäten zur Verteilung von Mahlzeiten an Bedürftige, zur Bereitstellung von Hauslieferungen von Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern fortzusetzen, ich denke dabei zum Beispiel an die Projekte „Mahlzeitendienst“ in Litauen und Ungarn. Auch in Übersee wurden Programme zur Verteilung von nicht verderblichen Lebensmitteln an Bewohner von Randgebieten in den Städten der Dominikanischen Republik, in marginalisierten Dörfern in Peru, Uruguay und Puerto Rico eingerichtet. In Australien und den Vereinigten Staaten wurden alle Aktivitäten zur Unterstützung der Ärmsten und zur Verteilung von Grundbedarfsgütern und Hygieneprodukten verstärkt.
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Zu diesem komplexen und heiklen Bild kommen die anhaltenden Konflikte in vielen Regionen der Welt hinzu. Von der unruhigen Region am Horn und in Zentralafrika mit der Krise in Tigray in Äthiopien bis hin zu den Zusammenstößen in der Demokratischen Republik Kongo; und dann im Nahen Osten, beginnend mit dem Jemen, wo es keine Anzeichen für ein Abklingen der schweren humanitären Krise gibt, die seit Jahren andauert, und Syrien, wo zehn Jahre Krieg ein an Geschichte und Kultur reiches Land zerstört und ein tausendjähriges Gefüge des friedlichen Zusammenlebens und des Dialogs zwischen verschiedenen Religionen zerrissen haben. Wir dürfen auch nicht die ungelösten Konflikte und Spannungen in der Kaukasusregion vergessen, insbesondere in Bergkarabach, wo es in letzter Zeit zu militärischen Auseinandersetzungen kam, die Tod und Zerstörung verursachten, und in Georgien. Auch hier möchte ich einen dringenden Appell zur vollen Achtung der Menschenrechte aussprechen.
Letztes Jahr haben wir eine Konferenz über den Nahen Osten und das Heilige Land abgehalten, an der unsere diplomatischen Vertreter und viele unserer Projektmitarbeiter in der Region teilnahmen. Wir sind besorgt über den Exodus der Christen, nicht nur, weil dies die Wiege des Christentums ist, sondern vor allem, weil die Christen sich als ein wichtiger Faktor im Dialog zwischen den verschiedenen Konfessionen in der Region erwiesen haben. Der Heilige Vater wird im März in den Irak reisen, wo die Ausblutung der Christen nach der Gewalt der letzten Jahre weiter zugenommen hat.
Im Irak selbst, in den Regionen Kurdistan und Zentralirak, ist unsere internationale humanitäre Organisation Malteser International seit 2014 im Einsatz, um der lokalen Bevölkerung und den Vertriebenen medizinische Hilfe zu leisten. Besonderes Augenmerk wird auf die medizinische und psychosoziale Versorgung von Menschen gelegt, die durch jahrelange Gewalt und Verfolgung traumatisiert sind. Wir unterstützen auch Programme zur Ernährungssicherung und Schulungen zur landwirtschaftlichen Produktion und engagieren uns zunehmend beim Wiederaufbau von Wohnraum und Infrastruktur in der Region.
Auch im Libanon setzen wir unsere Hilfe mit immer stärkerer Präsenz fort. Unsere Assoziation mit ihrem Netzwerk von Hilfszentren und mobilen Kliniken behandelt alle Menschen in Not, unabhängig von ihrer Konfession, und verhindert so, dass es zu interethnischen Spannungen kommt. Wir wissen, dass der Libanon eine der tragischsten Perioden seiner jüngeren Geschichte durchlebt hat, mit einer sehr ernsten wirtschaftlichen und sozialen Krise, die durch die Pandemie noch verschärft wurde und im vergangenen August mit der verheerenden Explosion in Beirut ihren Höhepunkt fand. Mit tiefer Dankbarkeit möchte ich an den unschätzbaren Beitrag unserer Assoziation und ihrer Mitglieder und Freiwilligen erinnern, die sich jeden Tag in allen Teilen des Landes engagieren. In jüngster Zeit hat der Malteserorden auch Programme im landwirtschaftlichen Bereich aufgelegt, um lokale Kleinbetriebe zu unterstützen.
Ich möchte auch das bemerkenswerte Engagement unserer Ärzte im Holy Family Hospital in Bethlehem hervorheben. Seit 1990 sind fast 90.000 Kinder in unserer Einrichtung geboren worden, die auch während aller Abriegelungen/Lockdowns in der Region die medizinische Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen auf der Intensivstation gewährleistet hat. Das Holy Family Hospital ist das einzige Krankenhaus in der Region, das dank einer modernen Neugeborenen-Intensivstation in der Lage ist, Frühgeborene oder solche mit schweren angeborenen Krankheiten zu behandeln. Eine wichtige Rolle spielen auch die mobilen Kliniken des Krankenhauses, die regelmäßig die Wüstengebiete bei Bethlehem aufsuchen. In den letzten Monaten wurde das Versorgungsgebiet auf Wunsch des palästinensischen Gesundheitsministeriums weiter ausgebaut.
Der Schutz der Rechte von Minderheiten bleibt ein Gebot in einer Zeit, in der die Gefahr einer Rückkehr zur Logik der Macht, des Nationalismus und Populismus auf Kosten der Logik des Dialogs wächst.
Als Menschen des Friedens sind wir aufgerufen, uns Gehör zu verschaffen, um die Rechte aller Menschen und Minderheiten, die Achtung der Menschenwürde, die internationale Zusammenarbeit und Solidarität zu gewährleisten“. In diesem Sinne entwickelt Malteser International seine Projekte in Bangladesch zum Schutz der Minderheit der Rohingya, die seit Jahren diskriminiert und verfolgt wird. Malteser International konzentriert sich auf Mutter-Kind-Gesundheit, Hygiene, Ernährung und psychosoziale Unterstützung.
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Wie Sie wissen, widmet der Malteserorden der Umweltkrise große Aufmerksamkeit. Die Ereignisse der letzten Monate mit den anhaltenden Bränden in Australien und den Hurrikanen Eta und Iota, die Ende letzten Jahres Mittelamerika, insbesondere Guatemala, Honduras, Nicaragua und Costa Rica, verwüstet haben, sind allen bekannt. Der steigende Wasserspiegel der Meere droht, Inseln und ganze Staaten verschwinden zu lassen. Umweltzerstörung schädigt die Gesundheit, bedroht die Lebensgrundlagen der Menschen und verschlechtert die Lebensqualität. Ganze Bevölkerungsgruppen sind gezwungen, ihr Land zu verlassen, nicht nur aufgrund von Konflikten, sondern auch aufgrund von Wetterbedingungen, die das Leben extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich machen. Im Bewusstsein, dass der Klimawandel, wie Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato Sì“ warnte, ein globales Problem mit schwerwiegenden ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen, verteilungspolitischen und politischen Auswirkungen ist, gibt es mehrere Projekte in dieser Hinsicht, die der Malteserorden unterstützt. Ich nenne das Beispiel Uganda, wo das internationale Hilfswerk des Malteserordens im Norden des Landes das emissionsfreie Bauen durch die Produktion von hochwertigen Paneelen aus Reisstroh, einem Abfallprodukt, gefördert hat. Auf diese Weise wurden neben Umweltschutzmaßnahmen auch neue Arbeitsplätze für südsudanesische Flüchtlinge und die lokale Bevölkerung geschaffen. Auch in Indien hat Malteser International ein Projekt zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit benachteiligter Gemeinden gegen Dürre in der Wüste Thar in Rajasthan durchgeführt.
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In diesen Tagen, die so sehr von der Corona-Krise geprägt sind, richten sich meine Gedanken auf die Notlage der Migranten am Balkan. Nach dem Großbrand, der in den letzten Tagen das provisorische Flüchtlingslager in Lipa im Nordwesten Bosniens verwüstet hat, spielt sich auf der Balkanroute eine Tragödie ab. Tausende von Menschen sind gezwungen, sich in improvisierten, überfüllten und unangemessenen Flüchtlingslagern aufzuhalten. Es fehlt an lebenswichtigen Dienstleistungen und die hygienischen Bedingungen sind sehr schlecht. Viele Migranten müssen bei Temperaturen mittlerweile unter Null in der Kälte ausharren. Auf der Flucht vor Krieg und Armut befinden sich diese Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien – auf dem Weg nach Nordeuropa – nun in einer Art „Vorhölle“, ohne humanitäre Hilfe, Opfer jener Ablehnungspolitik, die in den letzten Jahren nur Katastrophen geschaffen hat.
Es ist nicht akzeptabel, dass diese armen Menschen ausgebeutet und misshandelt werden, um andere Menschen von der Migration abzuhalten.
Der Malteserorden bekräftigt nachdrücklich die Notwendigkeit, eine Aufnahme- und Asylstrategie zu entwickeln, die sich auf die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte konzentriert. Wir glauben, dass eine gemeinsame Haltung und sofortiges institutionelles Handeln notwendig sind, um diese Menschen zu retten und um gemeinsame Regeln für jene europäischen Länder zu finden, die die Migrationsströme steuern müssen. Unsere Meinung ist seit Jahren klar und eindeutig: Migration ist ein globales Phänomen, das einen koordinierten und transnationalen Ansatz erfordert.
In den letzten Jahren hat sich die Arbeit des Souveränen Malteserordens auf die Unterstützung von Migranten in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern sowie auf die Bekämpfung des Menschenhandels konzentriert. Letzteres ist ein abscheuliches Phänomen, an dem die internationale Kriminalität maßgeblich beteiligt ist. Das Thema Migration ist auch eng mit dem kriminellen Phänomen der modernen Sklaverei verbunden, wobei die ärmsten Regionen Afrikas, Osteuropas, Lateinamerikas und Südostasiens am stärksten betroffen sind. Die durch die Pandemie verursachte Krise hat die Situation weiter verschärft: Reisebeschränkungen, Grenzschließungen und der Abbau öffentlicher und sozialer Dienste sind alles Faktoren, die die Verletzlichkeit der Betroffenen erhöhen und sie allen Formen des Menschenhandels wie Zwangsarbeit, Zwangsehe, Zwangsmutterschaft, Verkauf von Kindern, Prostitution, Zwang zur Kriminalität, Zwangsentnahme von Organen aussetzen. Seit mehreren Jahren arbeitet der Malteserorden mit zwei Botschaftern an dieser Front – in Genf und Lagos – um die Öffentlichkeit für das Thema Menschenhandel zu sensibilisieren und dieses unmenschliche Phänomen zu bekämpfen.
Migration bleibt eines der Hauptanliegen des Malteserordens, sowohl diplomatisch als auch in Bezug auf Seenotrettungsaktionen, Hilfeleistungen und die Integration von Flüchtlingen und Migranten. Tausende von Migranten auf der ganzen Welt sterben jedes Jahr auf ihrer Reise, viele von ihnen ertrinken im Mittelmeer. Folglich sind das Management und die Koordination großer Migrationsströme dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang hat der Großkanzler kürzlich eine Vereinbarung mit dem italienischen Verkehrsminister unterzeichnet, die die Präsenz von Ärzteteams des italienischen Ambulanzkorps des Ordens auf den Schiffen der italienischen Küstenwache bei der Erstversorgung von auf See geretteten Migranten erneuert. Diese Aktivität erweitert die bilaterale Zusammenarbeit zum Schutz von Menschenleben auf See und stärkt das internationale Abkommen von 1991 zwischen der Italienischen Republik und dem Souveränen Malteserorden über die Hilfeleistung bei schweren Notfällen, die durch Naturereignisse oder vom Menschen verursacht werden.
2020 war auch ein wichtiges Jahr für unser italienisches Rettungskorps (CISOM), das sein 50-jähriges Bestehen feierte.
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Natürlich litt die bilaterale diplomatische Aktivität des letzten Jahres unter den Auswirkungen der Pandemie, aber es gibt viele bedeutende Momente, die es verdienen, hier in Erinnerung zu bleiben: der offizielle Besuch von Großmeister Fra‘ Giacomo Dalla Torre im letzten Januar in Benin, wo der ‚Ordre de Malte France‘ das Regionalkrankenhaus von Djougou betreibt; der Besuch der Präsidenten der Republik Malta und Ungarns im Februar, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Estland im März, die Ratifizierung von Kooperationsabkommen mit Armenien, Panama und der Ukraine, die Ernennung des ständigen Beobachters des Ordens bei der Internationalen Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut, (ICCROM) im Dezember in Rom.
Ein bedeutendes Beispiel für multilaterale Diplomatie, für die wir uns engagieren, betrifft die Religionsfreiheit. Der Orden wurde eingeladen, der „International Religious Freedom and Belief Alliance“ (IRFBA) als Beobachter beizutreten: eine Gruppe von über 30 Ländern, die im vergangenen Februar vom US-Außenministerium gegründet wurde und sich dem Thema Religionsfreiheit in der Welt verschrieben hat. Am 17. November nahm der Großkanzler an der Online-Ministerkonferenz der Organisation teil und bekräftigte das Engagement des Ordens für die Förderung der Religionsfreiheit und die Erleichterung des Dialogs und der Verständigung zwischen den Religionen.
Die Präsentation des Dokuments “ Religions in action„, an dem wir mit einer ausgewählten Gruppe von religiösen, christlichen und muslimischen Experten intensiv gearbeitet haben, wurde wegen der Pandemie auf 2021 verschoben. Dieses Dokument enthält Grundsätze und Richtlinien zur Rolle, die Religionsgemeinschaften und Institutionen bei der Lösung von Krisensituationen, der Milderung ihrer Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung und der Verbesserung der Bereitstellung und Verteilung humanitärer Hilfe spielen können.
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Exzellenzen, liebe Botschafter, die Wahl zum Statthalter des Großmeisters kam für mich unerwartet. Ich habe die Wahl am 8. November letzten Jahres im Geist des Dienens angenommen und versprochen, mich ganz dieser hohen Position zu widmen, im Bewusstsein der Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt, auch wenn es auf ein Jahr begrenzt ist. Wie ich in meiner Rede unmittelbar nach meiner Wahl sagte, steht die Reform der Verfassungscharta und des Kodex im Mittelpunkt meines Engagements.
Mein Ziel ist es, noch vor Ende meiner Amtszeit ein außerordentliches Generalkapitel einzuberufen, das die Aufgabe hat, die Reform zu verabschieden. Im Mittelpunkt der Änderungen steht der Erste Stand der Ordensmitglieder und die Notwendigkeit, die Regeln für das Leben der Ordensleute an die neueste Revision des Codex des kanonischen Rechts aus dem Jahr 1983 anzupassen.
Weitere wichtige Aspekte, die durch die Reform aktualisiert werden, sind die Überarbeitung der Anforderungen für die Wählbarkeit des Großmeisters und die Verbesserung der staatlichen und regionalen Strukturen des Ordens.
Abschließend möchte ich an die Gestalt des Gründers unseres Ordens, den seligen Fra‘ Gerhard, erinnern, der im elften Jahrhundert in Jerusalem das erste Krankenhaus für die im Heiligen Land ankommenden Pilger gründete, das aber auch den Bewohnern aller anderen Glaubensrichtungen Pflege anbot, was für die damalige Zeit außergewöhnlich war. Im Jahr 2020 feierte der Malteserorden weltweit seinen 900. Todestag. Ich versichere Ihnen, dass seine Lehre und sein Beispiel in den Mitgliedern des Malteserordens lebendiger sind denn je.
Indem ich den beim Souveränen Malteserorden akkreditierten Botschaftern für den wertvollen Beitrag danke, den sie jeden Tag bei der Förderung der gemeinsamen Werte des Friedens, der Menschlichkeit und der Hilfe für Menschen in Not leisten, wünsche ich von ganzem Herzen, dass das Jahr 2021 uns allen und der ganzen Welt neue Hoffnungen auf Frieden und eine bessere Zukunft bringen wird.