Der Großmeister Fra´ Matthew Festing hat gestern Vormittag das beim Souveränen Malteserorden akkreditierte Diplomatische Korps anlässlich des traditionellen Glückwunschaustausch zum Jahresbeginn feierlich empfangen. Der Empfang hat in der Magistralvilla in Rom stattgefunden.
Nachfolgend die Ansprache des Großmeisters
Herr Doyen, Exzellenzen, meine Damen, meine Herren,
ich freue mich, Sie heute anlässlich des traditionellen Glückwunschaustauschs zum Jahresbeginn begrüßen zu können. Ich danke dem Doyen des Diplomatischen Korps, S. Exz. dem Botschafter Valladares Lanza, für die liebenswürdigen Worte, mit denen er uns Ihre Wünsche übermittelt und Ihre Wertschätzung für den Malteserorden und seinen tausendjährigen Auftrag zum Dienst am Nächsten ausgedrückt hat.
Ich richte meine besten Wünsche an Sie alle und heiße besonders willkommen die Botschafter von Chile, Ungarn, Italien, Mali, der Demokratischen Republik des Kongo, von Slowenien, Rumänien, Salvador, Österreich, Liberia, Thailand, Kolumbien, Brasilien, den Seychellen, Kroatien und Spanien, die uns im abgelaufenen Jahr ihre Beglaubigungsschreiben überreicht haben.
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Im Verlaufe des Jahres 2011 hatte ich Gelegenheit, zu offiziellen Besuchen nach Rumänien, zu den Vereinten Nationen in Genf, in das Fürstentum Monaco, nach Liechtenstein, San Marino und Chile zu reisen. Zugleich hatte ich die Freude, hier in Rom hochrangige Delegationen ausländischer Regierungen und der Europäischen Union zu empfangen, um unsere freundschaftlichen Beziehungen zu vertiefen und die Grundlagen unserer wechselseitigen Zusammenarbeit weiter zu entwickeln.
So hat der Orden im vergangenen Jahr verschiedene internationale Kooperationsabkommen mit Liberia, Marokko, der Dominikanischen Republik, Kenia, mit der Weltgesundheitsorganisation sowie mit der Regierung von Mali abgeschlossen, um die Zusammenarbeit bei Projekten im Bereich des Hospital- und Gesundheitsdienstes zu intensivieren. Bei meinem Besuch in Chile, im vergangenen November, hat der Orden mit der Regierung ein Verständigungsabkommen über den Beitritt zum Memorandum des internationalen humanitären Network in Chile abgeschlossen, um im Falle einer neuerlichen Notfallsituation wie 2010, rasch und effizient humanitäre Hilfsmaßnahmen koordinieren zu können.
Im vergangenen Jahr hat der Orden an zwei für die Kirche erfreulichen Ereignissen teilgenommen. Das erste war die Seligsprechung des hochverehrten Papstes Johannes Paul II. im Mai, an der eine hochrangige Delegation des Souveränen Malteserordens teilgenommen hat. Das zweite erfreuliche Ereignis war das im Juni begangene 60-jährige Priesterjubiläum von Papst Benedikt XVI. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang unsere hohe Wertschätzung für seine spirituelle und moralische Führung in diesen schwierigen Zeiten bekunden.
Im Juni hat das Land, das uns Gastfreundschaft gewährt, den 150ten Jahrestag seiner Einheit begangen und ich habe mich sehr über die Einladung des Präsidenten der Republik, Giorgio Napolitano, zu den Feierlichkeiten am 2. Juni, dem Nationalfeiertag, gefreut. Wir sind stolz auf die engen Bande, die uns mit der italienischen Republik verbinden und tief dankbar für die warmherzige Aufnahme, die wir seit je hier in Italien genießen.
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Es ist jetzt das europäische Jahr des Ehrenamtes zu Ende gegangen und ich möchte deshalb besonders die Arbeit hervorheben, die die ehrenamtlichen Helfer des Malteserordens im sozialen Bereich geleistet haben.
In Italien haben wir den zwanzigsten Jahrestag der Vereinbarung gefeiert, durch die 3.000 ehrenamtliche Helfer des italienischen Hilfsdienstes des Malteserordens – CISOM – mit dem italienischen Zivilschutz zusammenarbeiten. Ihr jüngster Einsatz erfolgte anlässlich der schweren Überschwemmungen, die im vergangenen Oktober die Regionen von Ligurien und der Toskana heimgesucht haben.
In Irland ist der 1938 gegründete Ambulanzdienst des Malteserordens die bedeutendste Einrichtung für Erste Hilfe- und Ambulanzleistungen in den meisten größeren Städten des Landes. Der Ambulanzdienst untersteht mit 3.200 ehrenamtlichen Helfern der irischen Assoziation des Ordens.
In Österreich werden die vielfachen Ordensaktivitäten, wie der normale Ambulanzdienst, die Alten- und Behindertenbetreuung von den ehrenamtlichen Helfern erbracht. Im Jahr 2011 waren insgesamt 1.200 Helfer im Einsatz.
In Deutschland arbeiten über 35.000 ehrenamtliche Helfer des Malteserordens neben hauptamtlichen Mitarbeitern an 700 Orten im ganzen Land. Jährlich leisten sie medizinische, soziale und humanitäre Hilfe für über zwölf Millionen Menschen in Deutschland und in vielen anderen Ländern, insbesondere in Mittel- und Osteuropa.
In Frankreich sind über 13.000 ehrenamtliche Helfer an einem weiten Spektrum von Sozialaufgaben in den Sozialstationen, in den Spezialkrankenhäusern für behinderte Kinder, in der Fürsorge für Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, und in der Obdachlosenbetreuung beteiligt.
In Rumänien, Albanien und Litauen haben unsere Hilfsdienste 2011 ihr 20jähriges Bestehen begangen. Unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gegründet, leisten sie den Menschen in diesen Ländern seitdem einen unverzichtbaren Beistand.
Der Hilfsdienst des Malteserordens in Ungarn ist eine der wichtigsten sozialen Hilfsorganisationen im Land sowie anerkannter Partner der ungarischen Sozialeinrichtungen mit über 5.000 hauptamtlichen Helfern und 15.000 Helfern mit Sonderaufgaben. Der Hilfsdienst unterhält 200 Sozialeinrichtungen und ist mit einem eigenen Korps auch im Bereich des Zivilschutzes bei Naturkatastrophen im In- und Ausland tätig.
Diese Dienste stehen nur beispielhaft für die wichtigsten Hilfseinrichtungen des Malteserordens. Daneben gibt es noch viele andere, die einen bedeutenden Beitrag leisten indem sie ihre Zeit leidenden und sozial benachteiligten Menschen zuwenden.
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Schwere Naturkatastrophen haben auch 2011 wieder Länder in Afrika, Asien und Südamerika heimgesucht. Der Malteserorden war in der Lage Hilfe zu leisten und Maßnahmen zur Trinkwasserversorgung, Gesundheitsvorsorge, Hygiene und Versorgung mit Nahrungsmittel in den Ländern am Horn von Afrika, in Pakistan, Sri Lanka, Kambodscha, Bolivien, Japan, in der Demokratischen Republik des Kongo und auf den Philippinen einzuleiten. Einmal mehr zeigt sich hier, wie Projekte immer mehr an Bedeutung gewinnen, durch die die Menschen lernen, mit solchen Katastrophen umzugehen. Auf diesem Gebiet arbeitet der internationale Hilfsdienst des Malteserordens bereits eng mit den Behörden in Vietnam, Myanmar, Chile und Haiti zusammen.
Aber, anstatt die weltweit durchgeführten Hilfseinsätze einzeln aufzuzählen, von denen Sie im Laufe des Jahres bei verschiedenen Gelegenheiten erfahren haben, möchte ich von einigen unserer neueren Projekte berichten, die wir 2011 in Angriff genommen haben und deren Ergebnisse sich in den nächsten Jahren zeigen werden.
Erste Initiative: Wie von Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. hervorgehoben, stellt in unserer säkularen Welt von heute die Erziehung ein eminent wichtiges Element dar, um den Kindern Werte zu vermitteln und ihnen eine Hoffnung auf die Zukunft zu geben. Der Malteserorden hat beschlossen, diese Herausforderung anzunehmen, indem er eine Verbindung herstellen will zwischen der Ausbildung der Jugendlichen und deren Einsatzbereitschaft im humanitären Bereich. Demzufolge hat die deutsche Assoziation eine Schule mit 1.200 Schülern in Willich übernommen und plant, in den nächsten Jahren zwei weitere Schulen in Westfalen und im Rheinland zu übernehmen.
Zweite Initiative: Im vergangenen November, anlässlich der VIII Konferenz der amerikanischen Ordensassoziationen, deren Gastgeber die peruanische Assoziation war, haben die teilnehmenden 200 Delegierten von 24 nationalen Assoziationen und 20 Botschafter über die Koordinierung unserer humanitären und diplomatischen Aktivitäten beraten. Es wurde beschlossen ein Regionalbüro in Miami zu eröffnen, um bei Naturkatastrophen die Notfallhilfe auf dem Kontinent zu koordinieren und zu erleichtern.
Dritte Initiative: Neben den Notfalleinsätzen, die eine größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, betrifft ein Großteil der Ordensaktivitäten in der Welt die Hilfe für sozial benachteiligte Menschen, die nicht im Mittelpunkt des Medieninteresses stehen und auch nicht auf den Titelseiten der großen Nachrichtenagenturen zu finden sind. Einige dieser vergessenen Aktivitäten gelten den Alten, den missbrauchten, verlassenen und behinderten Kindern, den Flüchtlingen, den Verstoßenen und Obdachlosen.
Um das Spendenaufkommen zu steigern und das Bewusstsein für diese vergessenen Fälle in der Welt zu wecken, haben wir eine neue internationale Initiative gestartet – den Order of Malta´s Global Fund fort The Forgotten People – mit dem die bereits seit langem auf lokaler Ebene bestehenden Aktivitäten gefördert werden sollen.
Vierte Initiative: Im vergangenen September haben wir Verbindung mit den palästinensischen Behörden aufgenommen, um nicht nur die Arbeiten unseres Geburtshilfekrankenhauses, – das Krankenhaus der Hl. Familie in Bethlehem -sicherzustellen, sondern auch um unseren medizinischen und sozialen Aktivitäten zu erweitern durch die Entwicklung von neuen Gesundheitsprojekten und Projekten zur Arbeitsbeschaffung. Es wird ein System von Mikro-Krediten eingerichtet werden, um gegen die Armut anzukämpfen und die Landflucht durch wirtschaftliche Entwicklung einzudämmen, damit das in dieser Region so wertvolle vielfältige kulturelle Erbe bewahrt bleibt.
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Zuletzt möchte ich Sie an einigen unserer Gedanken über die Zukunft der humanitären Aktivitäten teilhaben lassen.
Nach den umfangreichen humanitären Einsätze im Irak, Afghanistan, Darfur, in der Sahelzone und zuletzt in Haiti hat die Lösung von Krisen an Bedeutung gewonnen und beeinflusst heute zunehmend die Beziehungen zwischen den militärischen und diplomatischen Kräften einerseits und den humanitären Organisationen andererseits.
Die zunehmende Einschaltung von Massenmedien, multinationalen Organisationen, privaten Sicherheitsdiensten und sonstigen nicht öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, mit unterschiedlicher Interessenlage, hat zur Frage des Nebeneinander und des gemeinsamen Handelns geführt.
Gleichzeitig sieht sich die humanitäre Hilfe durch neue Entwicklungen vor neue Fragen gestellt:
– Der Krieg hat sich nach und nach vom Konflikt zwischen Nationen hin zu inneren, regionalen und zivilen Konfliktszenarien verschoben;
– Die Trennung zwischen kriegerischen Auseinandersetzungen und humanitärer Hilfe ist weniger deutlich definiert;
– Die Zivilbevölkerung in diesen Krisenregionen ist zusammen mit den Helfern zu allererst von dieser Situation betroffen;
– Regeln und internationale humanitäre Konventionen werden nicht beachtet;
– Die heutigen Krisen haben ihre Ursache häufig in Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Dürren, Migration, kulturellen Differenzen und verständnislosen Umgang mit den Wasserressourcen;
– In vielen Fällen hängt der Ausgang der Krise mit dem Fortbestehen der Bildung, der kulturellen und wissenschaftlichen Strukturen zusammen, die den Wiederaufbau beschleunigen können.
Einige westliche Länder bemühen sich um Lösungen indem sie politische, militärische und humanitäre Strategien entwickeln und – zusammen mit beträchtlichen finanziellen Mitteln – multilaterale Organisationen und internationale NGOs mit der Durchführung beauftragen. Mehrfach hat man sich dabei um Harmonisierung der Maßnahmen bemüht, ohne aber bisher allgemeingültige Richtlinien entwickeln zu können, weil jede Krise für sich einen Sonderfall darstellt.
Es ist also notwendig einen neuen Annäherungsversuch zu starten: während die Veränderungen bei den Beziehungen zwischen humanitären, diplomatischen, zivilen Organisationen und militärischen Streitkräften bekannt sind, haben neu entwickelte Konzepte der „Pflicht zum Eingreifen“ und der „Pflicht zu beschützen“ der sogenannten „Humanitären Diplomatie“ neue Wege aufgezeigt.
Mit dieser Zielvorgabe haben im vergangenen Januar der Souveräne Malteserorden und die französische Marine, die sich in gleicher Weise sorgt, eine Konferenz über humanitäre Diplomatie und die Bewältigung internationaler Krisen am Sitz der UNESCO in Paris einberufen.
Zweck der Konferenz, an der bekannte Persönlichkeiten aus Militär, Diplomatie und dem zivilen Bereich teilgenommen haben, die mit humanitären Aufgaben betraut sind, war es, allgemeine Richtlinien zu erarbeiten, die von den hier tätig werdenden Organen zu beachten wären und die Ziele und Ethik dieser Interventionen zu definieren.
Bei dieser Gelegenheit wurden verschiedene bedeutsame Empfehlungen formuliert, die demnächst veröffentlicht werden. Ich darf in diesem Zusammenhang an das erinnern, was im Verlauf der Konferenz von der EU-Kommissarin für humanitäre Angelegenheiten und Krisenbewältigung, Frau Kristalina Georgieva, hervorgehoben worden ist:
– Wir benötigen größere finanzielle Mittel für die humanitäre Hilfe, insbesondere von privater Seite und über öffentlich-private Partnerschaften;
– Wir müssen die Effizienz der Hilfsleistungen verbessern, indem wir die Kapazitäten und damit die Ergebnisse des humanitären Einsatzes steigern. Das bedeutet für alle, besser auf Katastrophen vorbereitet zu sein, die Führungsstrukturen und die Einsatzleitung vor Ort zu verbessern, insbesondere die Rolle der Koordinatoren für humanitäre Hilfseinsätze der Vereinten Nationen und der in das System der Vereinten Nationen eingebundenen Gruppierungen zu definieren;
– Wir müssen die politischen Kompetenzbereiche des Katastrophen- und Krisenmanagements „entflechten“, wie die Kommissarin gesagt hat. Die Leute müssen aus ihren Rückzugsräumen raus!
Wie wir alle wissen, alle wollen koordinieren, aber keiner will koordiniert werden!
Dem möchte ich auch hinzufügen, was die Generaldirektorin der UNESCO, Frau Irina Bokova, richtig gesagt hat: Nichts bezeugt die Achtung zwischen Nationen besser als die Art und Weise, wie ein Land mit dem kulturellen Erbe eines anderen Landes umgeht. Übergriffe auf kulturelle Symbole sind Zeichen eskalierender Gewalt. Sie beschleunigen den moralischen Zerfall einer Gesellschaft indem sie die Menschen in dem treffen, was ihnen lieb und wertvoll ist. Die Zerstörung der Buddha-Bildnisse im Tal von Bamiyan in Afghanistan und die Verwüstung der Museen in Kabul und Bagdad sind nur einige Beispiele.
Diese internationale Konferenz, die über 400 Diplomaten, Militärs und Vertreter von humanitären Organisationen für zwei Tage am Sitz der UNESCO zusammengeführt hat, war ein wesentlicher Beitrag zur Suche nach den Leitlinien, die von den hier Verantwortlichen zu befolgen sind. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit offenkundig, ethische Richtlinien für Krisenbewältigung zu definieren und zwar nicht nur für die großen humanitären Hilfseinrichtungen, sondern auch für die Streitkräfte, die Politiker, die religiösen Autoritäten, Unternehmer, Meinungsbildner und für die Zivilgesellschaft ganz allgemein im Krisengebiet.
Ich bin überzeugt, dass die Länder und Regierungen, die Sie, sehr geehrte Botschafter, vertreten, dabei helfen können, „einen erneuerten globalen Konsens über die Aufgaben, Normen und Prinzipien humanitärer Hilfe“ zu erstellen.
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Das Jahr 2011 hat auf der internationalen Bühne zu vielen Änderungen geführt, die sich zum Teil erst in diesem Jahr auswirken werden. Naturkatastrophen, wirtschaftliche Unsicherheiten, politische Veränderungen, aus ethnischer und religiöser Verschiedenheit erwachsene Gewaltausbrüche, deren Zeugen wir in den vergangenen Wochen wieder geworden sind, und eine rasch wachsende Bevölkerung fordern mehr denn je ein engeres Zusammenwirken, um im Zeichen menschlicher Würde Frieden und Sicherheit unter den Völkern herzustellen. Lassen Sie mich mit dem erneuerten Wunsch des Souveränen Malteserordens abschließen, die internationale Zusammenarbeit mit Ihren Regierungen und lokalen Einrichtungen weiter zu verstärken.
Ich danke Ihnen für die Arbeit, die Sie im Dienst Ihrer Länder leisten und schließe indem ich Ihnen, Ihren Angehörigen und den Nationen, die Sie so würdig vertreten, meine besten Wünsche für das Neue Jahr ausdrücke.